Wie politisch muss oder darf Kirche sein?
Auf diese Frage gibt es eine große Bandbreite an Antworten. Darf Kirche, dürfen gläubige Menschen sich überhaupt politisch äußern?
Der Ausschluss eines saarländischen AfD-Politikers aus dem Verwaltungsrat einer Kirchengemeinde hat ganz unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die einen meinen, Kirche darf sich nicht in Politik einmischen, sie sei überparteilich. Politik habe nichts in der Kirche zu suchen. Kirche sei ein Ort der Spiritualität. Jeder habe hier das Recht auf einen Platz, egal welche politische Meinung er vertritt. Andere behauten, gerade hier zeige sich der Glaube – in der politischen Auseinandersetzung. Hier müssen Werte, die Christen wichtig sind, offensiv vertreten werden.
Wenn im politischen Diskurs um Werte und Einstellungen gestritten wird, können wir Christen und Christinnen nicht draußen stehen. Auch Jesus war ein politischer Mensch, der Widerstand und Widerspruch provozierte. Er stritt für seine Botschaft, wenn er die Marktstände der Händler im Tempel umwarf oder die Pharisäer als Schlangenbrut bezeichnete. Wo er sein Menschen- und Gottesbild angegriffen wähnte, fand er drastische Worte und starke Gesten.
In der aktuellen politischen Auseinandersetzung wird häufig nicht zwischen Person und politischen Standpunkt unterschieden. Sie endet häufig mit dem Kampf gegen den Menschen, der hinter einer Meinung steht. Angriffe auf Wahlkampfhelfer und Kommunalpolitiker sind unverzeihlich.
Christen und Christinnen sind von ihrem Wesen her politische Menschen. Sie müssen in der politischen Auseinandersetzung Farbe bekennen. Aus dem christlichen Gottes- und Menschenbild lassen sich Werte ableiten, die elementar für gelingendes Zusammenleben sind. Für sie gilt es im politischen Diskurs zu streiten, ohne Menschen mit anderer Meinung zu diffamieren. Als Christinnen und Christen stehen wir für eine Streitkultur, die den anderen nicht verteufelt, einer Streitkultur, die zwischen Botschaft und Person unterscheidet. Hart in der Sache, aber fair und gewaltlos im Umgang. Anfang Juni sind Kommunalwahl sowie die Wahl zum Europäischen Parlament. Ich als Christ werde meine Chance nutzen, mitzureden. Das Europäische Parlament bringt es auf den Punkt: Nutze deine Stimme – und ich füge hinzu – als Christ oder Christin. Sonst entscheiden andere für dich.